Summary
A global hypoxia resulting in an oxygen debt is assumed to be present in patients
who suffer from the different stages and degrees of sepsis including septic shock
and ARDS. As a consequence, the therapeutic concept of optimal values for cardiac
output and oxygen delivery for these patients was proposed. This article reviews the
literature with the objective of determining whether investigations dealing with oxygen
delivery and consumption and with the plasma lactate concentration support the idea
of the global hypoxia in septic patients. The finding of a pathologic oxygen supply
dependency and an increase in plasma lactate concentration were taken as evidence
for a global hypoxia. Between 1983 and 1991, oxygen supply dependency in septic patients
was reported in an increasing number of publications. The increase in plasma lactate
concentration was interpreted as lactic acidosis without presentation of plasma pH
values and taken as evidence of global hypoxia and oxygen debt. From 1989 on, the
number of publications that failed to show oxygen supply dependency even in the presence
of an increased plasma lactate concentration increased. The problem in the method
of determination of oxygen supply dependency became evident. Deducing both oxygen
consumption and oxygen delivery from cardiac output from a common shared variable
subject to measurement error may produce errors in the calculation of the regression
between oxygen delivery and consumption. Oxygen supply dependency was not demonstrated
in most investigations in which oxygen delivery and consumption were measured independently
of each other. No decrease in mortality could be shown in prospective randomized studies
for patients with sepsis and septic shock who were treated according to the concept
of the optimal values. The lactate plasma concentration was below 5 mmol/l in most
studies, which represents the borderline value for a clinically significant lactic
acidosis. The term acidosis is not justified without a decrease in plasma pH or a
decrease in the bicarbonate plasma concentration. An increased lactate plasma concentration
can be merely the result of a hypermetabolism which is often found in septic patients.
There is no proven evidence for global tissue hypoxia in septic patients from the
investigations of oxygen delivery and consumption. This is also true for patients
in septic shock after plasma volume expansion. The dogmatic proposal to increase cardiac
output and oxygen delivery to certain levels cannot be sustained. However, regional
hypoperfusion (e.g., of the splanchnic vascular bed) cannot be excluded. New approaches
like gastric mucosal tonometry, measurement of splanchnic blood flow, and determination
of regional metabolism are currently under investigation.
Zusammenfassung
Bei Patienten mit septischem Schock, aber auch mit anderen Ausprägungen der Sepsis
und bei Patienten mit ARDS wird ein globaler Sauerstoffmangel postuliert. Daraus wurde
das Therapiekonzept der supraphysiologischen Werte von Herzzeitvolumen und DO2 für diese Patienten abgeleitet. In der vorliegenden Übersicht wurde die Literatur
unter der Frage gesucht und ausgewertet, ob aus den Arbeiten zu DO2 und VO2 und zur Laktatplasmakonzentration der Rückschluß auf eine globale Minderversorgung
mit Sauerstoff bei Patienten, die die Symptome der Sepsis bis hin zum septischen Schock
zeigen, berechtigt ist. Als Beweis für den globalen Sauerstoffmangel wurden die Befunde,
die eine Abhängigkeit des VO2 von der DO2 zeigen, und die erhöhte Laktatplasmakonzentration angeführt. In der Zeit zwischen
1983 und 1991 wurden zunehmend Arbeiten publiziert, die bei den oben genannten Erkrankungen
eine Zunahme des VO2 nach einer therapeutischen Steigerung der DO2 beschrieben. Dieses Verhalten wurde als pathologische Abhängigkeit interpretiert,
dem eine Sauerstoffschuld zugrunde liegen sollte. Häufig wurde als weitere Unterstützung
dieser Auffassung die erhöhte Laktatplasmakonzentration angeführt, die meist mit einer
Laktazidose gleichgesetzt wurde. Ab 1989 mehrten sich jedoch die Publikationen, in
denen keine Abhängigkeit des VO2 von der DO2 mehr zeigen konnten. Auch bei einer erhöhten Laktatplasmakonzentration konnte die
vermutete Unterversorgung mit Sauerstoff nicht gezeigt werden. Zusätzlich wurde auch
die Methode zur Darstellung des Zusammenhanges zwischen VO2 und DO2 kritisiert, weil in den meisten Untersuchungen VO2 und DO2 aus dem Herzzeitvolumen abgeleitet werden und damit beide Größen eine gemeinsame,
mit einem Meßfehler behaftete Variable - das Herzzeitvolumen - beinhalten und es dadurch
zu falsch positiven Regressionen kommen kann. Untersuchungen mit einer direkten Messung
des VO2 , die unabhängig von der Bestimmung der DO2 ist, zeigten mehrheitlich keine Abhängigkeit des VO2 von der DO2 . In prospektiven randomisierten Studien konnte keine Senkung der Letalität durch
eine Steigerung der DO2 auf supraphysiologische Werte gezeigt werden. Die erhöhte Laktatplasmakonzentration
lag in den meisten Arbeiten unterhalb 5 mmol/l, was für eine klinische bedeutsame
Laktazidose als unterer Wert angesehen wird. Ohne Angabe des Plasma-pH und/oder des
Standardbikarbonats ist auch die Bezeichnung Azidose nicht gerechtfertigt. Eine erhöhte
Laktatplasmakonzentration ohne Azidose kann das Resultat eines Hypermetabolismus sein,
wie er bei septischen Erkrankungen häufig beobachtet wird. Damit läßt sich aus den
Arbeiten zum Verhältnis von VO2 und DO2 und aus den Arbeiten zur Laktatplasmakonzentration kein Beweis ableiten, daß bei
den verschiedenen Schweregraden der septischen Erkrankungen eine globale Minderversorgung
mit Sauerstoff zugrunde liegt. Auch für den Patienten mit septischem Schock, dessen
intravasales Volumen ausreichend aufgefüllt wurde, ist die Minderversorgung mit Sauerstoff
nicht unbedingt nachzuweisen. Dies schränkt die dogmatische Forderung nach Steigerung
des Herzzeitvolumens und der DO2 bei diesen Patienten ein. Eine regionale Minderversorgung mit Sauerstoff z.B. der
Splanchnikusorgane ist jedoch nicht ausgeschlossen. Neuere Methoden wie das Messen
des gastralen intramukösen pH-Wertes (pHi), das Messen der Durchblutung der Splanchnikusorgane
oder die Bestimmung regionaler Stoffwechselleistungen werden zur Zeit untersucht,
sind aber in ihrer Wertigkeit für Rückschlüsse auf die Therapie noch nicht gesichert.